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Nach dem EMFA ist vor der AVMD-Novelle.
14. Dezember 2024
Jörg Frederick Ferreau (Hrg.), Das neue EU-Medienfreiheitsgesetz - European Media Freedom Act (EMFA), Nomos Verlag, Baden Baden 2024, 59,00 €.
Das EU-Medienfreiheitsgesetz ist unter der Abkürzung des englischen Titels bekannt: EMFA. Während des Gesetzgebungsprozesses war auf europäischer Ebene über die Kompetenz der Union über Regelungen zur Medienvielfalt gestritten und unter anderem erwogen worden, eine Richtlinie daraus zu machen. "Ungarn" und - damals noch - "Polen" waren die Argumente für eine unmittelbar wirkende Verordnung. Die Kompromisse, die man am Ende einging, durchziehen den Text. Handreichung und Auslegung tun not.
Der vorliegende Band aus der Praxis-Reihe von Nomos liefert einen ersten Aufschlag. Er befasst sich ausführlich mit der Zielsetzung des EMFA und seinem Anwendungsbereich, der über jenen der AVMD-RL hinausgeht und eben nicht nur audiovisuelle Medien erfasst, sondern auch Hörfunk und Presse. Vom Anwendungsbereich erfasst ist auch der öffentlich-rechtliche Sektor und die Medienaufsicht mit all den Fragen zu den Befugnissen und der Staatsferne in Bezug auf die EU-Kommission (dargelegt von EMR-Mitarbeiterin Christina Etteldorf).
Die einzelnen Themen gliedern sich jeweils in eine Darstellung der Regelungen des EMFA und dann Überlegungen zur Frage, was das für Deutschland heißt. Zur Erinnerung: Es bedarf keiner "Umsetzung" wie bei einer Richtlinie, also kein Akt der Rechtsetzung, um die Grundsätze des EMFA in Deutschland überhaupt anwendbar zu machen - die Verordnung gilt in ganz Europa unmittelbar. Anpassungen des nationalen Rechts wird es zukünftig es gleichwohl noch geben, nicht nur bei den eher technischen Fragen der Zuständigkeit beim Vollzug.
Als Beispiel kann das Medienkonzentrationsrecht genannt werden, das in dem Band an verschiedenen Stellen erwähnt wird: Der EMFA macht Vorgaben für das nationale Recht (rechtstechnisch an dieser Stelle fast wie eine Richtlinie), die vom TV-zentrierten deutschen Medienkonzentrationsrecht derzeit wohl nicht eingehalten sind. Die ohnehin in Deutschland geführte Diskussion um das Thema erhält so neue Nahrung.
Anders ist die Situation bei den Bestimmungen, in denen der EMFA Vorrang hat wie etwa bei den Regelungen zu Benutzeroberflächen und bei der Signalintegrität in §§ 80, 84 MStV. Hier gibt es Konflikte zu denen in dem Band die Auffassung vertreten wird, jedenfalls einzelne Aspekte des Unionsrecht verdrängten den MStV, während andere ohnehin in Deutschland etwas anderes regelten, als im EMFA angesprochen, und wiederum andere Bestimmungen seien eine Umsetzung der AVMD-RL - die derart auftretende Rechtsunsicherheit ist angeschnitten und im Kern offen: Das wrid die Praxis noch vielfältig beschäftigen.
Und dann gibt es am Ende im EMFA noch den Bereich der Zuweisung öffentlicher Mittel durch staatliche Stellen im Rahmen von zum Beispiel Werbeaufträgen. Bei deren Erläuterung man merkt, dass das in Deutschland nicht als medienrechtliches Problem wahrgenommen wird. Das hat Bezüge zum Wirtschaftsrecht und berührt die "politische Werbung" im MStV, soweit staatliche Informationstätigkeit etwa durch Spots von Bundesministerien oder anderen staatlichen Stellen eine Rolle spielen. Hier haben möglicherweise das tradierte nationale Recht und das neue europäische Recht unterschiedliche Vorstellungen, da auf europäischer Ebene (negative) Erfahrungen aus einzelnen Mitgliedsstaaten als Motiv in die Regulierung eingeflossen sind. Die parallel erlassene Verordnung zur politischen Werbung, die in dem Band nicht eingearbeitet ist, wird die Rechtsanwendung in diesen EMFA-Bestimmungen in der Praxis ebenso beeinflussen. Auch hier sieht sich der Rechtsanwender mit Unsicherheiten konfrontiert.
Nach dem EMFA ist vor der AVMD-Novelle. Absehbar ist, dass der EMFA mit dem breiten Anwendungsbereich und die AVMD-RL mit der Fokussierung auf audiovisuelle Medien Reibungspunkte nicht in allen Punkten harmonisieren. Die ältere AVMD-RL steht ohnehin turnusgemäß auf dem Prüfstand. Die Diskussion, auch aus ihr eine breitere Content-Regelung zu machen und von der Richtlinie zur Verordnung umzubauen, dürfte Fahrt aufnehmen.
Release 14. Dezember 2024, 18:00 - OR